Dienstag, 26. April 2022

Absturz in vergangene Zeit

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Ziemlich genau wie bei dem von meinem alten Freund Pepe Blötschmann zu Papier geworfenen Herrn dort oben stieg bei mir die Laune, als das erste NOVOTNY TV-Konzert seit 22 Jahren in greifbare Nähe rückte. Im Rahmen des sonst mit eher weniger memorierenswerten Punkgruppen gespickten MIND THE GAP-Festivals sollte also endlich wieder die Einengung durch Bäume angeprangert werden.
Es war eine schiere Freude! Auch ein sehr interessantes Zeitloch von etwa drei Stunden zwischen dem Verlassen des Billstedter Kulturpalastes und das Stolpern ins Heim sowie unter dem üblichen Niveau des Verfassers dieser Zeilen liegendes, offenbar im Rahmen des Filmrisses erstandenes Gebäck im Gepäck (in etwa Billiglaugenbrezel) konnten den am nächsten Tag zusehends an Dominanz gewinnenden Pogo- und Saufnacken nicht entwerten. Und nun zurück in die Vernunft!

Mittwoch, 19. Februar 2020

Eine fürchterliche Idee

Man muß sich seine Freuden im zusehends fortgeschritten sich gebenden Alter mit zäher Vernunft wählen. Vieles zeigt sich nämlich endlich in seiner naturgegebenen Schnödigkeit, so das hirnzersetzende Rave-Vergnügen in künstlichem Viertellicht, anderes zeigt sein wahres und somit als tödlich zu bezeichnendes Antlitz, beispielsweise Trunksucht oder Plattensammelei.
Die Speisung ist mir eine Freude. Die Speisung meiner selbst, um exakt zu seyn; ob Begleitung sich dazu gesellt, ist mir mittlerweile zweitrangig. Dabei habe ich nichts gegen Gesellschaft! Zwar verbringe ich grundsätzlich gern Lebenszeit in Eremitage, doch kommt wer auf die Idee, wiederum seine Lebenszeit für einige Stunden mit der meinen zu teilen, bin ich selten abgeneigt.
Wie dem auch sei: Aus diversen gesundheitlich grundierten Überlegungen (Gichtverdacht (gar Rheuma?), Wanstansatz) kam ich neulich auf die Idee, eine Fastenwoche einzulegen. Über das Büchlein "Wie neugeboren durch Fasten" des Ernährungsmoguls Hellmut (Hellmut mit zwei "l", erfahrungsgemäß immer ein schlechtes Zeichen!) Lützner und seinen beherzt beknackten Schreib- und Befehlsstil sowie seine erkennbare, nahezu dämonische Besessenheit von Einläufen als irgendwie Allheilmittel verliere ich hier mal nur wenig Worte. Außerdem geht es mir zuvörderst um die Selbstkasteiung, die ich mir durch die (mir noch immer zweifelhafte) Heilfastensidee auferlegte, ja antat! Dummerweise fiel nämlich in die Zeit der sog. Vorbereitungstage auf den Nahrungsverzicht nicht nur ein Spaziergang mit dem Genossen Fuchs, der uns wie zufällig an die Königsimbissstube "Bei Schorsch" trieb, wo der Mitwanderer einen Schaschlik verzehrte.
Nein, ausgerechnet an diesem Abend traf sich das ehemalige Mitbewohnertriumvirat "Die drei Kleinen aus der Talstraße", bestehend aus J.K. Müller, C. Stoll und meiner Geschwätzigkeit zum Plaudern. Nach diversen Rückschlägen wegen Ruhetagen bzw. mangels Personal nicht geöffneten Etablissements ward das Restaurant Klinker in der Schlankreye ausgewählt.
Dort mußte ich nicht nur auf einen Blick in die Weinkarte verzichten, sondern vor allem mit ansehen, wie die Begleiter Kartoffel - Walnuss - Brot mit Kakaobutter & Olivenöl verzehrten, sich sodann ein Grilled Cheese Sandwich (das mit einem Zwiebeljus angegossen wurde!) teilten und sich hernach Pulpo auf grünem Gemüsecurry in die Kiemen schaufelten. Bzw natürlich zwischen die Kiemen.
Selbstredend war's ein formidabler Abend, doch nun, an Tag 3 des kleinen Verzichtsexperimentes, an welchem sich weder Erlahmung des Leidensdrucks noch "Festigung des rosigen Alkoholikergesichtes" oder wie Herr Dr. Lützner das auch immer ausdrückt, sondern nur Ermattung, Konzentrationsschwäche, Schmerz in der Birne und Schmerz im Gelenkapparat, da denke ich mir: eine fürchterliche Idee, so eine Verzichtsidee. Und komme mir jetzt keiner mit Geduld, kein Wicht, denn ausgesprochen gereizt bin ich auch!

Demnächst in dieser Geschichtensammlung: Wie ich einmal im Restaurant Klinker sämtliche Gerichte von der Speisekarte bestellte - gleichgültig, ob allein oder in Begleitung!

Montag, 3. Februar 2020

Guz ist tot

Den aus der Schweiz stammenden Musiker Guz alias Olifr Maurmann kannte ich kaum. Ich entsinne mich, vor etwa zwei Jahrzehnten in meiner Stammklause "Mutter" herumgesessen zu sein, und zwar vollkommen allein, und Guz saß auch dort, und zwar vollkommen allein. Vielleicht wartete er ja lediglich auf Carol von Rautenkranz oder so; wie der Abend für mich weiter ging, weiß ich selbstredend nicht mehr. Daß ich zu schüchtern und zu blöde war,mich auf zumindest ein Bier zu ihm zu setzen, das weiß ich hingegen.
Nun ist Guz tot. Er war nicht alt, zweiundfünfzig, er war kein Verächter der Todessehnsucht, sagen mir seine Texte. Seine Texte waren und sind und bleiben sehr gut.
Ich habe aus Faulheit soeben sein Lebenswerk auf youtube gesucht. Sogleich wurde mir ein "Lied" der "Band" Isolation Berlin vorgeschlagen. Dieser Vorschlag ist ein unsäglicher Tort an Guz und sein künstlerisches Schaffen. Die Gruppe "Isolation Berlin" dürfte zum Dümmsten und Eitelsten, zum Widerwärtigsten und Verachtenswertesten gehören, was diese beknackte Nation seit Kriegsende hervorgebracht hat. Es ist deren Unwerk so niederträchtig, so stinkend verlogen, so talentfrei, und es ist so unendlich deprimierend, daß die Aeronauten und Guz auch nur von einer Internet-Berechnung überhaupt in die Nähe dieses unsäglichen Schunds gerückt werden.
Also: Ehret Guz. Er kann nur ein guter Mensch gewesen sein.

Sonntag, 25. August 2019

Ich und der Cineasmus

Lange, lästig lange Jahre meines Lebens war ich pleite, da ich viel Zeit hatte. An einen Besuch im Lichtspielhaus war somit selten zu denken, und nun, da der Zaster ausreichend in die Kabache rollt, vertändelt "man" die Zeit mit weiterer Amassierung von Zahlungsmittel, oftmals leichthin Lohnarbeit geheißen, womit keine Zeit für freizeitliche Vergnügungen bleibt!
Eine glatte Lüge. Selbstredend ist es mir auch in diesen trüben Zeiten gegeben, hin und wieder ein Kino aufzusuchen, allein, das aktuelle Filmangebot regelmäßig auf Sehenswertes zu durchforsten, ist kein Vorgang, der mir in Fleisch und Blut übergegangen wäre. Bedauerlich, denn so verpasse ich regelmäßig beispielsweise diese hochinteressante Klassikerserie im Metropolis, was ich hier zuvörderst hinschreibe, um sie in Zukunft möglicherweise nicht mehr zu verpassen.
Doch zum Punkt. Mehr be- als anempfohlen wurde mir das Anschauen von Q. Tarantinos neuem Werk "Once Upon A Time In Hollywood"; weswegen ich an sonnigem Nachmittag mit dem Genossen Gnill im eigentlich verhaßten Abaton-Kino verabredet war.
Ich war gewarnt worden vor epischer Länge, doch Eskapismus lebt schließlich davon, daß man ihn nicht in Fünfminutenfetzen genießt; er sollte durchaus mindestens stundenweise serviert werden. In diesem Falle wird man, erinnere ich mich recht, 163 Minuten in eine gewisse kalifornische Stadt im Jahre 1967 katapultiert. Abgehalfterte Fernsehserienschauspieler, "fucking Hippies" an allen Straßenecken, sehr gute Autos, sehr gute Bierdosen, eine als 'ziemlich unaufgeregt' zu bezeichnende Story. Dies sind fünf zentrale Punkte des Films, die durch des Regisseurs unverhohlene Liebe zum Detail und zum Kintopp im allgemeinen zu einem äußerst unterhaltsamen Werk verbunden werden. Wobei zentrale Punkte, die zu einem Werk verbunden werden, eine ziemliche Hanstwurstmetapher darstellen! Doch sei es darum! Zum Glück bin ich ja kein Filmkritiker, und Filmkritikenleser bin auch nicht, allenfalls lese ich nach dem Kinobesuch mal eine, um herauszufinden, welche filmhistorischen Anspielungen ich nicht verstanden habe, denn ein Cineast bin ich ja auch nicht. In seiner ansonsten recht klug erscheinenden Rezension des Filmes in der aktuellen Ausgabe von konkret bezeichnet Fritz Tietz die Hauptfiguren übrigens als "Arschlöcher". Ein erstaunlich dummes Wort für eine Rezension und darüber hinaus eine erstaunliche Fehleinschätzung, da z.B. ich sowohl mit Rick Dalton (L. di Caprio) als auch mit Cliff Booth (B.Pitt) aber wirklich umgehend in die nächstbeste Kneipe laufen würde, um dort am Tresen zu verweilen, bis man mich mit den Füßen nach vorne ins Freie befördern müßte!
Wie dem auch sei: Nach dem Abspann war ich mir mit meinem Begleiter einig, daß dieser gute Film gerne noch zwei weitere Stunden hätte dauern können; trotz Überlänge war von Länglichkeit keine Spur.
Kaum hatten wir das Kino verlassen, mußten wir uns an einem dieser typischen Cineastentypen vorbeischieben: Mittfünfziger mit schwarzer Brille in schwarzem Jackett, der in jovialer Allwissenheit vor zwei bis drei staunenden Zuhörer#innen die dümmsten und selbst für einen bekennenden Laien wie mich offensichtlichsten Gemeinplätze breittritt: "…am Schluß dann der Gewaltexzeß, wie man es von ihm kennt… naja, waren ein paar ganz nette Einfälle dabei…"
Selbstverständlich äfften Herr Gnill und ich, kaum waren wir außer Hörweite, den degoutanten Volltrottel zeitgleich und wortgetreu nach.

Donnerstag, 20. Juni 2019

Schlechte Photos von gutem Essen (I)

Willkommen zur hochambitionierten neuen Serie, deren Titel mir schon seit nahezu Jahr & Tag im Geist herumspukt, da ja das Mobiltelephon, das meine Mutter mir aus irgendwelchen Gründen aufoktroyierte, eine zu wirklich minderwertigen Ergebnissen führende Kamera eingebaut hat!
Leider jedoch ist die Ambition zur Niederschrift von irgendwas irgendwo im niederen Nullerbereich zu finden, was mich höchstselbst dauert, da ich ja so mein ganzes Leben vergesse. Einst verschwand noch die eine Hälfte im Alkoholsumpf, die andere im Grau der Alltäglichkeit und Ereignislosigkeit, heute verschwimmt schlicht alles in der von fernöstlichen Zen-Meistern erlernte Hinwendung zum Jetzt, zum gegenwärtigen Augenblick.
Doch zurück in die Welt der Tatsachen. Im Rahmen einer qua Subvention recht prägnant bezahlten Assistenztätigkeit in einer Kulturinstitution verschlägt es mich derweil regelmäßig ins sonst einen weißen Fleck auf dem Stadtplan darstellende Hamburg-Winterhude. Dort befindet sich der Pizza Social Club, den ich umschweifslos stets "Pizza Vista Social Club" nenne. Ist das nicht naheliegend? Oder habe ich mal wieder eine anderweitige popkulturelle Referenz nicht verstanden? Bei meinem ersten Besuch des im nichtssagenden Chic bürgerlicher Viertel eingerichteten Restaurants setzten sich nach kurzer Zeit zwei abgrundtief abscheuerregende, quälend dumm daherschwadronierende typische Winterhudeschweinekühe am den Nebentisch. Solche von der Art, deren Großraumkraftwagen vom Gemahl mit Warentermingeschäften im Bereich Babyrobbenfelle und Schnellfeuerwaffen für Kinderarmeen finanziert werden. Ganz und gar verkommene Subjekte also, die sich zuerst lautstark über die zu kleine Schrift auf der Speisekarte beklagten und dann, als der freundliche Kellner sie über das Pizza-Angebot aufgeklärt hatte, allen Ernstes daherplärrten: "Ham Sie keine Tonno?!"
Und dann auch noch glaubten, sie seien hier diejenigen, die sich hier indigniert fühlen dürften. O Schlacke der Menschheit!
Als meine Pizza, wenn ich mich recht entsinne, hatte ich etwas Profanes wie Salami oder Salsiccia als Belag gewählt, herbeigebracht wurde, hatte ich ich mich an einen Tisch außer Hörweite der Ekelkasperinnen verzogen, was den Garçon erstaunte und ich mit "Ich konnte das Geschwätz nicht mehr ertragen!" kommentierte, woraufhin der gute Mann wissend lächelte. Die Pizza war ausgezeichnet!
Also zog es mich gestern erneut in den Mühlenkamp 29, wo ich mich in gähnender Leere zum Lunch niederließ. Auch gut, so bleibt der Mann von Leutescheu unter sich! Ich wählte vorab die burrata natural, die mit nichts mehr als Pfeffer, Meersalz, Olivenöl und ein wenig salatähnlichem Zierat daherkam. Wohlan, Sinnenreiz! Das Schöne an einer burrata ist ja, daß man eigentlich nichts weiter braucht außer den drei genannten Komponenten, wenn überhaupt. Und auch wenn ich weiß, daß ich mich zur Trüffelfrage schon ganz anders geäußert habe, ja daß es (im Rahmen eines Jägermeisterfestivals, also der mit Sicherheit genußfremdesten Veranstaltung, die man sich vorstellen kann!) darüber gar nahezu zum ersten großen Schrader-Wennefelder-Schisma kam, so muß ich gestehen, daß mir die ebenfalls angebotene Variante burrata truffle auch gefallen hätte. Wobei ja der Gastronom Ahlert sicherlich einwenden täte, es könne sich hierbei nur um Sommertrüffel und somit Augenwischerei handeln. Doch dazu mehr in zehn, zwanzig Jahren, wenn ich mich mit Thema mal eingehender beschäftigt habe.
Gestern fiel die Wahl auf die pizza lardo:

pizzasocial

Wie man eventuell erkennen kann, haben wir es mit einem nach klassischem Pizzaofen aussehenden Hefeteig zu tun, mit den klassischen Pizzaofenmerkmalen wie beispielsweise schwarze Blasen am Rande. Der Teig ist überaus schmackhaft, keineswegs keksig, aber auch nicht neapolitanisch papierdünn und amorph.
Der Belag liest sich so: "marinierter bauchspeck / crème fraîche / karamelisierte zwiebeln"; der für die etwas moderner sich wähnende Speisekarte der Hochküche unabdingbare Schrägstrich zwischen den wenigen Komponenten eines Ganges ist nun also auch im eher alltäglichen Betrieb angekommen (wobei "alltäglich" bitte wertfrei zu lesen sey).
Und also? Leider waren die karamellisierten Zwiebeln so intensiv, daß der Lardo gar nicht mehr herauszuschmecken, geschweige denn, ob und wie er mariniert war. Darüberhinaus war das ganze Teigbauwerk völlig überölt, vielleicht durch das Zusammenspiel von Crème Fraîche
und Lardoschmelze? Selbstredend hat niemand Freude an fadem Fraß und trockenem Gaumen, aber dies war mir schlicht zu viel und geschmacklich zu entschieden auf einer, der brachial süßlichen Seite angesiedelt. Allenfalls dicke Scheiben Bacon hätten dies auszugleichen vermocht! Wobei sich ja allgemein die Frage stellt, ob so etwas trotz Fettgehalt ja recht Feinsinniges wie Lardo überhaupt auf eine Pizza gehört. Hierzu der Kollege Konopacka: "Wenn man Fett mag! Why not!" - wir bleiben an dieser Frage mal dran.
Auf dem Rückweg zur Arbeitsstätte stellte sich mir dann wiederum die Frage, ob ich nicht lieber in der traditionell daherkommenden Gaststätte Bistro Gorgonzola eingekehrt wäre, doch beim Überfliegen der Speisekarte hatte ich gesehen, daß dort irgendein Müllmahl mit Pute angeboten wurde, und ihr wißt ja, dort, wo es Pute gibt, da lass Dich niemals nieder, dort fliehe flugs und nähere Dich der Restauration nicht wieder!

Donnerstag, 18. April 2019

Das Schuldbier

Sich im Gestrüpp zu verheddern, das auf den kleinsten Nebenpfaden der Kulturindustrie geradezu unkontrolliert wuchtert, ja sich rhizomartig in alle Richtungen windet, das ist mir ein Anliegen.
Somit erfüllte "ees" (Horst Tomayer) mich mit warmer Freude, als der freundliche Luigi aus Bari, seineszeichens Betreiber der famosen Schallplatten- und Kassettenmanufaktur Almost Halloween Records, wo nun wirklich jede einzelne Tonträgerin ein vom Chef gestaltetes Kunstwerk und somit Grund genug für eine gesonderte Würdigung hier im Internettagebuch ist, doch dazu später im Jahrtausend, "ees" erfüllte mich also mit warmer Freude, als mir angeboten wurde, mit der Popgruppe Little Whirls zu einer Tribut-Kompilation für das, nunja: legendäre kalifornische Shrimper-Label beizutragen. In aller Kurzfristigkeit entschied man sich für ein Lied des Soloprojektes des Bassisten von Yo La Tengo, Dump. Dazu jedoch in angemessener Zukunft eventuell weitere Informationen.
studio
Eisenharter Subotnik im Long Field's Studio: Drei Viertel Little Whirls

Nach getaner "Arbeit" kam den zwei im Studio verbliebenen Bandmitgliedern das Motto "Man kann ja wohl einmal ein Bier trinken!" in den Sinn, und so begab man sich ein weiteres Mal in die Obhut des fatal gut gelegenen Vertrauensbierladen. Wo es eben so kam, wie es sich jeder im Vorhinein hätte vorstellen können, von den beiden Zechhanseln natürlich abgesehen. Zwei Stunden später nämlich waren sie dann beim lichtausknipsenden "Mansueto" der italienischen Brauerei CRAK. Ein guter Brauereiname, und der barley wine, der, wie sich nachlesen läßt, "invecchiati per 1 anno in botti di Whisky e 3 anni in botti di rum Caroni" ist/wurde, animierte nicht nur zu zerfasertem Gefasel über Verkohlung als Küchentrend, das Pumpernickelbier setzte sich mit seinen zwölf Volt auch tief in den Synapsen ab.
Schuldbier
Das empfehlenswerte Schuldbier.

Fatal! Fatal deswegen, weil ich am folgenden Morgen in aller Herrgottsfrühe einen Termin wegen der Teilnahme an einer Patientenstudie zu einem Medikament gegen Schlafstörungen vereinbart hatte. Dergleichen Quatsch ist nämlich gut vergütet und sollte mir, so hatte ich es mir überlegt, gegen die sommerlochinduzierte finanzielle Klammheit zur Jahresmitte helfen.
Pünktlich um 8:30 fand ich mich also geringfügig verstrahlt in der entsprechenden Institution ein, las mich durch stoßweise Datenschutzerklärungen und Gedöns, um dann von einer Prüfärztin auf meine Tauglichkeit getestet zu werden. Ungut "kam" hier der qua Röhrchenpusten ermittelte Restalkoholgehalt von 0.045 ‰ "an", was mich in Anbetracht der zweiten Null hinterm Komma doch erstaunte. Recht nachdrücklich wurde mir nahegelegt, daß dergleichen während der Studie noch bitte zu unterlassen sei usw. und ich im Anschluß durch einen Fragekatalog gezogen. Ob ich in letzter Zeit geplant hätte, durch einen Unfall zu sterben. Mit welchen der in einer wirklich beeindruckend ausführlichen Liste aufgeführten
Rauschmitteln ich Kontakt gehabt hätte. Ob Freunde oder Verwandte meine Gedankengänge als "ungewöhnlich" bezeichnet hätten. Ob ich in den letzten zwölf Monaten (!) binnen einer Stunde (!!) drei alkoholische Getränke (!!!) schnell (!!!!) zu mir genommen hätte! Undsoweiter, undsofort.
Doch ich kürze ab: Zum Verhängnis wurde mir die vorangegangene Nacht, in der ich ja dank Biergenuß tief und pausenlos geschlafen hatte. Statt nämlich diese besagte hätte ich auf dem "Schlaftagebuchhandy" die letzten sieben Nächte bewerten müssen (und diese natürlich dramatisiert), was mir die Schlaftagebucherklärerin aber meines Erachtens so nicht mitgeteilt hat. Ich glaubte ohnehin, es sei nur so eine kleine Übung, mit der ich unter Beweis stellen sollte, daß ich zwischen "schlecht", "mäßig" und "gut" zu unterscheiden weiß.
Nun, denkste: kurzerhand wurde mir mitgeteilt, daß ich studienungeeignet wäre! Weil ich zu lange und zu gut geschlafen hatte - "wie gesagt, da fehlte nur ein Punkt, dann wären Sie geeignet gewesen" - die Frau sagte nämlich immer "wie gesagt", obwohl sie das noch gar nicht gesagt hatte. Ich bedauerte. Das Geld für diesen einen Termin soll ich aber, "wie gesagt", noch bekommen. Ich begab mich heim und hätte mich augenblicklich wieder ins Bett legen können, da ich mich völlig übermüdet fühlte.

Montag, 15. April 2019

Gedanken zur Bifana (II)

Erstens: Bisweilen pflege ich eine gewisse Maulfaulheit. Mein Konzept zum Silbensparen wird kontinuierlich ausgebaut.
Zweitens: Das schlechteste portugiesisch wirken sollende Café Hamburgs ist das Café Estrela am Neuen Kamp. Diese unrühmliche Auszeichnung hat sich die wurschtige Restauration vollkommen zu Recht folgendermaßen verdient:
Mit dem Musikant ALEXANDER betrat ich vor etwa einem halben Jahrzehnt die Räumlichkeiten; die Tafel bot ein "Portugiesisches Schnitzelbrötchen" feil, ein Wortgetüm von immerhin neun Silben! Ich garantiere, nein, ich stehe mit der Gesamtheit meines ganzen Namens dafür ein, daß der darauf folgende Bestellvorgang sich nicht aus Gründen der auf Kenntnisse der originären Kulinarik gründende Angeberei bzw. des Distinktionsgewinnes so abspielte, wie es nun geschah: "Ich nehm 'ne Bifana, bitte!" sprach ich zur Dame am Tresen. Die Dame glotzte. Sie glotzte, als hätte ich gesagt: "Guten Tach, ich habe einen Borgward Isabella gekauft und wollte mal fragen, ob Sie mir mit der Polsterung der Rückbank behilflich sein können!"
Bitte was ich denn wolle?
Da habe sicherlich wiederum ich geglotzt und etwas irritiert gesagt: "Das ist ein portugiesisches Schnitzelbrötchen!"
Womit ich doch wieder alle Silben hatte aussprechen müssen.
Nun, wie dem auch sei: Wenig später stellte sie mir einen Teller hin mit den keinen schnippischen Unterton verbergen wollenden Worten: "Ein portugiesisches Schnitzelbrötchen."
Das war es allerdings mitnichten. Das Stück Fleisch war nämlich paniert! An eine charakteristische pikante Sauce kann ich mich auch nicht erinnern. Dergleichen würde ich, mit Eisbergsalat und Plastikremoulade "veredelt", vielleicht bei 'Dat Backhus' oder ähnlichem Antibäcker vermuten, dort allerdings auch verschmähen.
Mißmutig aß ich das mißliche Mahl, indigniert von der abstrusen Unfreundlichkeit und der offensichtlich vollkommenen Unkenntnis des portugiesischen Schnitzelbrötchenwesens.
Der Begleiter beklagte sich über einen absolut unterdurchschnittlichen Galao, hernach verschwanden wir und sollten den Laden nie wieder wieder betreten!

Donnerstag, 11. April 2019

Ben Bertrand & Jean D.L., Hörbar

Ich hatte Besuch von einem Manne, der mir berichtete, er habe sich Schuhe aus Yakleder gekauft. "Barfuß oder Yakschuh…" erschallte es sogleich in der Imagination.
Da der Mann ein treusorgender Gatte ist, ging er nach dem Genuß einer Schale Vanillepudding am frühen Abend zu Bett, um die Angetraute um vier Uhr morgens ausgeschlafen im Kleinstwagen zum Hamburger Flughafen zu bringen. Eine lustige Vorstellung, denn der Mann ist ein Hüne und kann im rostigen Ford Ka zweifelsohne nur wie ein Clown sitzen. Weswegen ich ihn übrigens mit Franzbranntwein versorgen mußte, denn selbstredend litt er wegen der Winzkarosserie an schmerzhaften Rückenverspannungen!
Weil nun also alle zu tagheller Stunde bereits im Bette lagen, eierte ich alleine in die Schluchten der Stadt. Ziel war zunächst das "Uebel und Gefährlich", wo Bela B. Felsenheimer aus seinem Debutroman las. Nicht ununterhaltsam, doch letztlich war der Laden zu menschenvoll, sodaß ich mich fehl am Platze wähnte und von dannen schlich. Ziel war nun: die Hörbar, seit Äonen staubige Heimstatt wunderlicher Experimentalmusik. Nach meinem Dafürhalten hat keine Stadt hierzulande eine so winzige Interessentengemeinschaft für abwegige Töne, wie Hamburg sie hat. Was die Besuche in diesem Biotop für seltsam Wirkende immer ein wenig beklemmend macht, zumindest, wenn man gänzlich allein dort auftaucht und allenfalls ein paar Gesichter, selten aber Namen begrüßen kann.
Zwei belgische Künstler waren angekündigt. Ben Bertrand, ein sympathisch verpeilt wirkender Hornbrillenträger, hat vor kurzem auf Les Atelier Claus Records sein Debut-Album veröffentlicht - fünf Kompsitionen für die Baßklarinette und ein Sammelsurium an Effekten. Was sich äußerst interessant liest, klang sehr interessant - mit Elementen minimaler Klassik, neuer Musik und rein elektronisch wirkenden Tönen (die selbstredend effektiert gespielt waren), eröffnete Bertrand einen, ich sach das mal so blöde, Imaginationsraum, den zumindest ich so noch nicht betreten habe. Bis dann im letzten Stück Vocal-Samples auftauchten. Ich hasse Vocal-Samples im allgemeinen, hier allerdings handelte es sich um geflüsterte Frauenstimmen, die klangen, als solle ein besonders ekelhafter Dämon beschworen werden oder als wäre es geröcheltes Rückwärtsfranzösisch oder eine ernsthafte, bösartige Version des Dr. Schaitan aus der Drei-???-Folge "Die singende Schlange". Eine völlig überflüssige Dreingabe, die auch noch eine der schönsten Kompositionen völlig ruinierte und mich nicht nur anwiderte, sondern wahrhaft ängstigte. Schade!
Am Plattenstand beäugte ich Bertrands LP "Ngc 1999", die mit einem ziemlich schönen Siebdruckcover von slowboy versehen ist, las in den Linernotes etwas von "Voices on Post Scriptum to Valentina Tereshkova" und ließ das gute Stück liegen. Dergleichen kann ich nicht im Hause haben! Ausgesprochen bedauerlich.
Jean D.L. als Zweiter im Bunde bearbeitet eine Gitarre, wie man das als Noisetyp halt so macht. Binnen kürzester Zeit bewegte er sich von einem zu langsamen Bill Orcutt zu einem zu schnellen Loren Connors, von einem unfähigen John Fahey zu einem zu normalen Jandek und so fort - leider vollkommen unspezifisch und letztlich uninspiriert. Zum Schluß hin, als er mit Schraubenzieher und Milchschäumer zu Werke ging, wurde es allerdings noch mal recht schön und interessant. Dennoch war's leider nicht wirklich nachhaltig. Ich verschwand schnellstmöglich.

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