Willkommen zur hochambitionierten neuen Serie, deren Titel mir schon seit nahezu Jahr & Tag im Geist herumspukt, da ja das Mobiltelephon, das meine Mutter mir aus irgendwelchen Gründen aufoktroyierte, eine zu wirklich minderwertigen Ergebnissen führende Kamera eingebaut hat!
Leider jedoch ist die Ambition zur Niederschrift von irgendwas irgendwo im niederen Nullerbereich zu finden, was mich höchstselbst dauert, da ich ja so mein ganzes Leben vergesse. Einst verschwand noch die eine Hälfte im Alkoholsumpf, die andere im Grau der Alltäglichkeit und Ereignislosigkeit, heute verschwimmt schlicht alles in der von fernöstlichen Zen-Meistern erlernte Hinwendung zum Jetzt, zum gegenwärtigen Augenblick.
Doch zurück in die Welt der Tatsachen. Im Rahmen einer qua Subvention recht prägnant bezahlten Assistenztätigkeit in einer Kulturinstitution verschlägt es mich derweil regelmäßig ins sonst einen weißen Fleck auf dem Stadtplan darstellende Hamburg-Winterhude. Dort befindet sich der
Pizza Social Club, den ich umschweifslos stets "Pizza Vista Social Club" nenne. Ist das nicht naheliegend? Oder habe ich mal wieder eine anderweitige popkulturelle Referenz nicht verstanden? Bei meinem ersten Besuch des im nichtssagenden Chic bürgerlicher Viertel eingerichteten Restaurants setzten sich nach kurzer Zeit zwei abgrundtief abscheuerregende, quälend dumm daherschwadronierende typische Winterhudeschweinekühe am den Nebentisch. Solche von der Art, deren Großraumkraftwagen vom Gemahl mit Warentermingeschäften im Bereich Babyrobbenfelle und Schnellfeuerwaffen für Kinderarmeen finanziert werden. Ganz und gar verkommene Subjekte also, die sich zuerst lautstark über die zu kleine Schrift auf der Speisekarte beklagten und dann, als der freundliche Kellner sie über das Pizza-Angebot aufgeklärt hatte, allen Ernstes daherplärrten:
"Ham Sie keine Tonno?!"
Und dann auch noch glaubten,
sie seien hier diejenigen, die sich hier indigniert fühlen dürften. O Schlacke der Menschheit!
Als meine Pizza, wenn ich mich recht entsinne, hatte ich etwas Profanes wie Salami oder Salsiccia als Belag gewählt, herbeigebracht wurde, hatte ich ich mich an einen Tisch außer Hörweite der Ekelkasperinnen verzogen, was den Garçon erstaunte und ich mit "Ich konnte das Geschwätz nicht mehr ertragen!" kommentierte, woraufhin der gute Mann wissend lächelte. Die Pizza war ausgezeichnet!
Also zog es mich gestern erneut in den Mühlenkamp 29, wo ich mich in gähnender Leere zum Lunch niederließ. Auch gut, so bleibt der Mann von Leutescheu unter sich! Ich wählte vorab die
burrata natural, die mit nichts mehr als Pfeffer, Meersalz, Olivenöl und ein wenig salatähnlichem Zierat daherkam. Wohlan, Sinnenreiz! Das Schöne an einer burrata ist ja, daß man eigentlich nichts weiter braucht außer den drei genannten Komponenten, wenn überhaupt. Und auch wenn ich weiß, daß ich mich zur Trüffelfrage schon ganz anders geäußert habe, ja daß es (im Rahmen eines
Jägermeisterfestivals, also der mit Sicherheit genußfremdesten Veranstaltung, die man sich vorstellen kann!) darüber gar nahezu zum ersten großen Schrader-Wennefelder-Schisma kam, so muß ich gestehen, daß mir die ebenfalls angebotene Variante
burrata truffle auch gefallen hätte. Wobei ja der Gastronom Ahlert sicherlich einwenden täte, es könne sich hierbei nur um Sommertrüffel und somit Augenwischerei handeln. Doch dazu mehr in zehn, zwanzig Jahren, wenn ich mich mit Thema mal eingehender beschäftigt habe.
Gestern fiel die Wahl auf die
pizza lardo:
Wie man eventuell erkennen kann, haben wir es mit einem nach klassischem Pizzaofen aussehenden Hefeteig zu tun, mit den klassischen Pizzaofenmerkmalen wie beispielsweise schwarze Blasen am Rande. Der Teig ist überaus schmackhaft, keineswegs keksig, aber auch nicht neapolitanisch papierdünn und amorph.
Der Belag liest sich so: "marinierter bauchspeck / crème fraîche / karamelisierte zwiebeln"; der für die etwas moderner sich wähnende Speisekarte der Hochküche unabdingbare Schrägstrich zwischen den wenigen Komponenten eines Ganges ist nun also auch im eher alltäglichen Betrieb angekommen (wobei "alltäglich" bitte wertfrei zu lesen sey).
Und also? Leider waren die karamellisierten Zwiebeln so intensiv, daß der Lardo gar nicht mehr herauszuschmecken, geschweige denn, ob und wie er mariniert war. Darüberhinaus war das ganze Teigbauwerk völlig überölt, vielleicht durch das Zusammenspiel von Crème Fraîche
und Lardoschmelze? Selbstredend hat niemand Freude an fadem Fraß und trockenem Gaumen, aber dies war mir schlicht zu viel und geschmacklich zu entschieden auf einer, der brachial süßlichen Seite angesiedelt. Allenfalls dicke Scheiben Bacon hätten dies auszugleichen vermocht! Wobei sich ja allgemein die Frage stellt, ob so etwas trotz Fettgehalt ja recht Feinsinniges wie Lardo überhaupt auf eine Pizza gehört. Hierzu der Kollege Konopacka: "Wenn man Fett mag! Why not!" - wir bleiben an dieser Frage mal dran.
Auf dem Rückweg zur Arbeitsstätte stellte sich mir dann wiederum die Frage, ob ich nicht lieber in der traditionell daherkommenden Gaststätte
Bistro Gorgonzola eingekehrt wäre, doch beim Überfliegen der Speisekarte hatte ich gesehen, daß dort irgendein Müllmahl mit Pute angeboten wurde, und ihr wißt ja, dort, wo es Pute gibt, da lass Dich niemals nieder, dort fliehe flugs und nähere Dich der Restauration nicht wieder!
Hartwig Wennefelder - 20. Jun, 09:15