Mittwoch, 19. Februar 2020

Eine fürchterliche Idee

Man muß sich seine Freuden im zusehends fortgeschritten sich gebenden Alter mit zäher Vernunft wählen. Vieles zeigt sich nämlich endlich in seiner naturgegebenen Schnödigkeit, so das hirnzersetzende Rave-Vergnügen in künstlichem Viertellicht, anderes zeigt sein wahres und somit als tödlich zu bezeichnendes Antlitz, beispielsweise Trunksucht oder Plattensammelei.
Die Speisung ist mir eine Freude. Die Speisung meiner selbst, um exakt zu seyn; ob Begleitung sich dazu gesellt, ist mir mittlerweile zweitrangig. Dabei habe ich nichts gegen Gesellschaft! Zwar verbringe ich grundsätzlich gern Lebenszeit in Eremitage, doch kommt wer auf die Idee, wiederum seine Lebenszeit für einige Stunden mit der meinen zu teilen, bin ich selten abgeneigt.
Wie dem auch sei: Aus diversen gesundheitlich grundierten Überlegungen (Gichtverdacht (gar Rheuma?), Wanstansatz) kam ich neulich auf die Idee, eine Fastenwoche einzulegen. Über das Büchlein "Wie neugeboren durch Fasten" des Ernährungsmoguls Hellmut (Hellmut mit zwei "l", erfahrungsgemäß immer ein schlechtes Zeichen!) Lützner und seinen beherzt beknackten Schreib- und Befehlsstil sowie seine erkennbare, nahezu dämonische Besessenheit von Einläufen als irgendwie Allheilmittel verliere ich hier mal nur wenig Worte. Außerdem geht es mir zuvörderst um die Selbstkasteiung, die ich mir durch die (mir noch immer zweifelhafte) Heilfastensidee auferlegte, ja antat! Dummerweise fiel nämlich in die Zeit der sog. Vorbereitungstage auf den Nahrungsverzicht nicht nur ein Spaziergang mit dem Genossen Fuchs, der uns wie zufällig an die Königsimbissstube "Bei Schorsch" trieb, wo der Mitwanderer einen Schaschlik verzehrte.
Nein, ausgerechnet an diesem Abend traf sich das ehemalige Mitbewohnertriumvirat "Die drei Kleinen aus der Talstraße", bestehend aus J.K. Müller, C. Stoll und meiner Geschwätzigkeit zum Plaudern. Nach diversen Rückschlägen wegen Ruhetagen bzw. mangels Personal nicht geöffneten Etablissements ward das Restaurant Klinker in der Schlankreye ausgewählt.
Dort mußte ich nicht nur auf einen Blick in die Weinkarte verzichten, sondern vor allem mit ansehen, wie die Begleiter Kartoffel - Walnuss - Brot mit Kakaobutter & Olivenöl verzehrten, sich sodann ein Grilled Cheese Sandwich (das mit einem Zwiebeljus angegossen wurde!) teilten und sich hernach Pulpo auf grünem Gemüsecurry in die Kiemen schaufelten. Bzw natürlich zwischen die Kiemen.
Selbstredend war's ein formidabler Abend, doch nun, an Tag 3 des kleinen Verzichtsexperimentes, an welchem sich weder Erlahmung des Leidensdrucks noch "Festigung des rosigen Alkoholikergesichtes" oder wie Herr Dr. Lützner das auch immer ausdrückt, sondern nur Ermattung, Konzentrationsschwäche, Schmerz in der Birne und Schmerz im Gelenkapparat, da denke ich mir: eine fürchterliche Idee, so eine Verzichtsidee. Und komme mir jetzt keiner mit Geduld, kein Wicht, denn ausgesprochen gereizt bin ich auch!

Demnächst in dieser Geschichtensammlung: Wie ich einmal im Restaurant Klinker sämtliche Gerichte von der Speisekarte bestellte - gleichgültig, ob allein oder in Begleitung!

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